Montag, 4. Januar 2016

Wind oder Regen ??

Wären am nächsten Morgen die Berge weiterhin wolkenfrei gewesen, wären wir noch geblieben. Aber leider war schon wieder alles zugezogen, und auch eine Tour ein Stück weiter nördlich brachte nicht mehr viel, außer wolkenverhangenen Bergen und kein sichtbarer Fitzroy. Nun gut, also auf Richtung Chile. Auch, weil uns der heftige Wind langsam auf den Wecker ging, allerdings war uns auch klar: die Alternative bedeutet Regen. Der Wind kommt von Westen, also vom Pazifik. Die Wolken bleiben an den Anden hängen und regnen sich in Chile ab. Und der Wind pfeift dann ungehindert nach Osten, also Argentinien.


Aber man könnte ja auch mal Glück haben und ein paar trockene Tage erwischen. Auf dem Weg fanden wir zauberhafte Plätze nahe unglaublich türkis-farbenen Seen, wie sie zuhauf am Andenrand liegen. Sehr malerisch, allerdings wurden wir noch immer heftig vom Wind durchgeschüttelt. Für den Weg nach Chile haben wir uns für einen ganz kleinen Grenzübergang (Paso R. Roballos) entschieden, weil wir uns eine schöne Strecke erhofft haben.
Zwei kleine Häuschen standen unvermittelt in der Landschaft, das Erste, für die Grenze zuständige, besetzt mit immerhin 3 Mann. Allerdings ohne modernes Gerät wie Kopierer oder gar Computer. Alle relevanten Daten wurden ordentlich in dicke Kladden eingetragen, wobei dem Jüngsten (offensichtlich noch Lehrling) von den anderen beiden Männern sorgfältig assistiert wurde. Auffinden der Motor-Nummer, des Fabrikats etc. in einer deutschen Zulassung und das Eintragen in die richtige Spalte zeigte ihm der Mittlere, während der ältere Mann dazukam, die Stempel bedächtig neu einstellte und ordentlich auf dem Schreibtisch drapierte. Es war ein herrliches Schauspiel! Und allen hatte es offensichtlich Spaß gemacht.


Wir dachten, das nächste Häuschen wäre der chilenische Grenzposten, aber weit gefehlt - das war nur die argentinische Polizeistation, die vermutlich die 3 Männer auch bevölkern, wenn es sein muß. Es ging noch viele Kilometer durch ein unglaublich schönes Tal auf rumpeliger Schotterpiste, ehe wir nach Chile einreisen konnten.Wir sind ja keine Schön-Wetter-Touristen, so haben wir zwar ordentlich auf das Mist-Wetter geschimpft, aber dann doch den Reiz der Landschaft entdeckt. Wolkenverhangene Berge, Nebelfetzen, gefilterter Blick durch Nieselregen - das ergibt bei einer wirklich grandiosen Landschaft eine sehr eigene Stimmung. Nöö, ich bin wahrlich kein Fantasy-Fan, aber bei der Landschaft und der Stimmung wäre ich beinahe Tolkien anheim gefallen.


Wie schön, dass wir ungefähr bei Cochrane auf die Carretera Austral getroffen sind. Das ist eine Straße, die längs durch Süd-Chile geht und bei der man besser vergisst, dass sie seinerzeit das Militär unter Pinochet in die Landschaft gefräst hat. Sie ist einfach nur schön. Klar: ungeteert mit üblem Wellblech und zeitweise gigantischer Ansammlung von Schlaglöchern mit ein bisschen Straße drumherum. Aber entlang des Rio Baker zum Lago General Carrera war nur Begeisterung im Auto. Da schlängelt sich ein unfassbar türkisfarbiger Fluß durch eine grandiose Gebirgslandschaft und man folgt dem bis zu einem noch viel tükiseneren See.
Na klar, sieht bei herrlichem Sonnenschein viel doller aus, man kann bei "unserer" Wetterlage nicht die Super-Fotos machen. Aber wir haben, denke ich, eine Landschaft erlebt, die atemberaubend schön ist. Regenwald - heißt nicht umsonst so, es regnet. Aber wie schön kann das sein! Vor allem, weil es dann doch nicht permanent geregnet hat. Die Vegetation überschlägt sich vor Wachstumsfreude und ich bin noch immer nicht fertig damit, alles zu identifizieren. Wilde Rosen, Lupinen, Digitalis, Eisenhut -kennt man von daheim,
mehr oder weniger in freier Wildbahn. Aber dann kamen die Fuchsien! Was wir daheim mühevoll in Töpfen hegen, wuchert hier in übermannsgroßen Büschen in Überfülle. Menno, sind die schön!!


Mehr und mehr sahen wir am Wegesrand riesige Blätter, die wie unser Rhabarber anmuteten. Nur viel größer. Ist aber tatsächlich so was Ähnliches. Kann man essen, schmeckt aber mehr nach Apfel und hat vor allem nicht die Oxalsäure. Und zerfällt nicht ganz so wie unser Rhabarber.
Nach einem Test-Kochen weiß ich nun, worauf man achten muss. Weiter nördlich fuhren wir durch den Nationalpark Queulat, wo die Dinger unglaubliche Ausmaße erreichen. Sie heißen "Pangue", die essbaren Stengel "Nalca", wie mir ein junger chilenischer Radfahrer bestätigte, den ich beim Sammeln traf. Radfahrer hat es übrigens auf der Carretera Austral unglaublich viele - Stücker 20 - 30 trifft man leicht pro Tag. Verständlich, weil es eine wirklich wunderschöne Landschaft hat.


So nimmt es nicht Wunder, wenn ein guter Teil der Stecke zu einem Nationalpark wurde. Und der NP Queulat ist ein Regenwald-Wunderland. Höhepunkt ist der Ventisquero Colagante, der "hängende" Gletscher. Aber erst mal hingen wir. Und zwar auf der Zufahrt mit einem sehr platten Hinterreifen. Klaus hatte sich noch gar nicht richtig von einer heftigen Erkältung mit diversen Problemen erholt und bei mir war gerade was Adäquates im Anzug. Super!!! Da hat man Lust auf derlei Komplikationen. Aber es gab unweit einen schönen Campingplatz, zu dem wir humpeln und dann alles wieder richten konnten. Und hatten danach doch noch einen lustigen Silvester-Abend nach getaner Arbeit. Der nächste Morgen war Belohnung - wolkenloser Himmel, strahlende Sonne und sicher der wunderbare Anfang eines tollen neuen Jahres. Also sind wir - quasi gleich nach dem Aufwachen - zum Gletscher
gestapft. Wunderbare Hohlwege durch den Regenwald, eine lustige Brücke und ein grandioser Pfad führten uns zu einigen wunderschönen Aussichtspunkten.

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