Sonntag, 3. Juli 2016

Nochmal Paraguay



Trümmerfrau :-)

Weil uns dieses Land beim ersten Teil der Reise sehr gut gefallen hatte, sind  wir schnell 

durch Argentinien gehuscht, das in diesem Bereich eh ein wenig langweilig ist. Und das Wetter war auch noch nicht sonderlich freundlich. Bei Posados, ganz im Süden, wollten wir dann nach Paraguay einreisen. Wäre uns auch fast auf Anhieb gelungen, hätte man uns nicht die Einreise verweigert. Da hatte doch der nette Typ in Argentinien vergessen,  mir den Ausreise-Stempel in den Pass zu drücken. Also nochmal ein paar Kilometer über die große Paranà-Brücke zurück und den Stempel einfordern. Aber dann war alles gut und wir konnten in Encarnaciòn erst mal tanken und einkaufen. Beides ist in Paraguay ungleich kostengünstiger, drum haben wir quasi mit dem letzten Tropfen Diesel und sehr reduzierten Nahrungsmitteln die Grenze überquert.
Und dann haben wir uns ein kleines Programm ausgeguckt. Viel Spektakuläres gibt es nicht, drum auch wenig Tourismus.  Aber es ist ein Land mit durchaus schöner Natur und einer recht interessanten Geschichte. Ja klar, man hat von der Diktatur unter dem
deutschstämmigen Stroessner gehört, aber was weiß man sonst? Nix! Nun aber haben wir ein wenig mehr über die Ureinwohner erfahren und das ist wirklich spannend.  Paraguay ist das einzige amerikanische Land, in dem die Sprache der Indigenen, der Guaranì, erhalten und die zweite Staatssprache ist - der überwiegende Teil der Bevölkerung spricht sie noch heute.

Und das ist wohl nicht zuletzt den Jesuiten zu verdanken, die für die Guranaì diese Siedlungen, die Reduktionen, gebaut haben.  Und so den "Indianern" ein Überleben sichern und ihre Kultur erhalten konnte. Drum sind wir nach Trinidad, ein wenig östlich von
Encarnaciòn,  gefahren, um eine dort noch recht gut erhaltene Reduktion anzusehen. Sehr beeindruckend! Es war zwar nicht ganz einfach, dahin zu finden, denn es ist nicht wirklich ausgeschildert, aber die Mühe hatte sich gelohnt. Und wir durften auf dem Parkplatz für die Nacht bleiben - kein Problem. 
Dann stand uns der Sinn nach ein wenig Natur, wovon es auch Genügend gibt. Weiter
nordwestlich fanden wir einen hübschen Naturpark, in dem es erst mal im 19. Jahrhundert eine Eisengießerei gab.  Nun gut, das wollten wir eigentlich nicht so genau wissen, war dann aber doch ganz interessant - wenn man schon Zeit hat, guckt man sich das an.

Über einen sehr holprigen Weg haben wir uns dann in den Ybycui-Park gearbeitet und der ist wirklich nett. Wir waren erst mal alleine und ein wenig frustriert, weil der versprochene
Camping-Platz natürlich gar nix für uns war. Putzig für Zelte, aber völlig ungeeignet für Wohnmobile. Also erst mal parken und die Gegend angucken. Und die ist ziemlich schön. Über einen schmalen Dschungel-Pfad haben wir uns zu einem Wasserfall gearbeitet - viel Stolpern über Wurzelwerk und Klettern über glitschige Steine überm Bach. Als wir eine arge Engstelle unfallfrei passiert hatten, gab es der Mühe Lohn. Ein wirklich idyllischer, kleiner Wasserfall. Kaum hatten wir den genossen und die
entsprechenden Bilder konserviert, brach eine Horde Schuldkinder ein. Waren die süß! Sie grüßten äußerst höflich, tobten herum und hatten einfach nur viel Spaß. Die Aufsichtspersonen ließen sie gewähren und trugen im Wesentlichen Sorge um ins Wasser gefallenen Smartphones.

Wieder im Zuhause 2.0


Nach einem erfolgreichen Heimaturlaub in der Immobilie sind wir Anfang Juni wieder in Montevideo gelandet. Der Flug nach Deutschland war einigermaßen kommod - Klaus hatte beim Einsteigen die Damen, die gerade beim Schampus-Einschenken für die Business-Class waren, angemacht und schon hatten wir jeder auch ein Glas in der Pfote.  Und dann die nächste freudige Überraschung: wir bekamen die Plätze gleich hinter der Business-Class, was bedeutet: viiiel Platz für die Beine, was vor allem bei einem langen Nachtflug mehr als angenehm ist. Auch für kurzbeinige Leute wie mich.

Weniger schön war der Rückflug: absolute Enge inmitten der Holzklasse und ein Catering, das an Körperverletzung grenzte. Aber wir haben es überlebt, konnten in Uruguay wieder in die mobile Zweitwohnung klettern und zum nächsten Teil der Reise aufbrechen. Die uns recht schnell Richtung Westen und vor allem Norden trieb, denn hier ist es Winter und unten an der Küste stürmte es heftig, war kalt und regnerisch. Weshalb wir uns einen ausführlicheren Aufenthalt in Montevideo geschenkt, nur die nötigsten Vorräte aufgefüllt haben. Aber ein Abstecher nach Colonia musste schon sein, das ist die angeblich romantischste Stadt Südamerikas und da könnte was dran sein - es ist ein wirklich nettes altes Städtchen mit sehr viel Flair. Da auch das Wetter ein wenig freundlicher wurde und die Sonne hervor kam, machte ein Spaziergang viel Spaß.

So richtig viel weiß man gar nicht über Uruguay, ich habe noch ein wenig Literatur aufgetrieben und da erfahren, dass  in Fray Bentos  Justus Liebig seinen Fleischextrakt produziert hat. Wer hätte das gedacht: die Brühwürfel kamen aus Uruguay! Aber klar: jede Menge Rinder, aus denen man - ausgepresst - lecker Suppe machen kann. Jedenfalls, glaubt man der Literatur, wäre die industrielle Revolution nicht so erfolgreich gewesen, hätte es nicht Herrn Liebig gegeben, der die Arbeiter mit seinem Extrakt gekräftigt hat. Übrigens auch im
Krieg die Soldaten mit seinen Produkten verköstigt hat. Jedenfalls waren die Herren seinerzeit richtig innovativ, denn in der Fabrik in Fray Bentos leuchtete die erste Glühbirne des Kontinents,  in Montevideo erst 3 Jahre später. Nun gut, in der Fabrik, die nun Museum ist, war die Beleuchtung leider sehr, sehr spärlich, wohl nicht viel besser als vor 150 Jahren.  Aber interessant war  der Besuch dennoch. Wir waren zwar die einzigen Neugierigen, obwohl am Dienstag, an dem wir da waren, der Eintritt frei ist. Aber Touristen, die es nach Fray Bentos verschlägt, wollen nur über die Brücke nach Argentinien. Und ob die Uruguayer so sehr interessiert sind? Stelle ich mal in Frage...

Aber im Zuge der Geschichte um diese Fabrik habe ich einiges über die jüngere Geschichte gelernt. Da viele der Einwanderer arme Leute waren, die eine neue Perspektive suchten, wählten sie sozial-liberal.  Und das funktionierte lange Zeit, bis in die 50er Jahre des letzen Jahrhunderts. Da brach die Wirtschaft ein, nicht zuletzt wegen geringerem Rinder-Export und weniger Absatz des Liebig'schen Fleischextrakt. Es bekamen die konservativen Großgrundbesitzer eine
Chance und schon gingen die Sozial-Leistungen zurück, es gab jede Menge Repressalien und es entstanden die Tupamaros. Erst eine Guerilla-Organisation, die Robin-Hood-artig agierte, dann aber in den Untergrund abtauchen musste, weil sie heftig verfolgt wurde. Nach etlichen Jahren des Widerstandes gab es eine Revolution und ein Anführer der Tupamaro wurde Präsident des Staates und eine neue sozial-liberale Gesellschaft konnte entstehen. Heute scheint Uruguay ein durchaus stabiles Land zu sein. Auch wenn wir keine tieferen Einblicke haben - es scheint zu funktionieren. Wir trafen einen aus Deutschland eingewanderten Arzt, der uns ein wenig erzählte. So soll auf 1000 Einwohner ein Arzt kommen. Haben wir so eine Quote in Deutschland? Und haben wir preiswerte öffentliche, funktionierende Verkehrsmittel?  Ist schon spannend zu sehen, wie es woanders zugeht.